Wenn es um die Belegreife von Untergründen geht, scheint sich die Diskussion in der Bau- und Handwerksbranche immer wieder im Kreis zu drehen. Die meisten Praktiker und Planer verbinden diesen Zustand ausschließlich mit dem Feuchtezustand des Estrichs. Doch wer glaubt, dass ein trockener Untergrund bereits belegreif ist, begibt sich auf gefährliches Terrain – denn Belegreife ist weit mehr als nur die Restfeuchte im Untergrund: Es ist eine Bewertung diverser Faktoren eines Untergrundes zu einem bestimmten Zeitpunkt. Diese Faktoren können sich im Laufe der Zeit verändern und deren Bewertung muss vor Verlegung von Bodenbelägen immer wieder neu vorgenommen werden.
Belegreife – eine Reduktion auf das Wesentliche?
In der Praxis wird die Belegreife oft auf das Kriterium „Feuchtigkeit“ reduziert. Die Vorstellung, dass ein Untergrund lediglich trocken genug sein muss, um Parkett oder Bodenbeläge aufzunehmen, ist weit verbreitet. Diese einseitige Betrachtung ignoriert jedoch die vielen anderen relevanten Faktoren, die die Eignung eines Untergrunds bestimmen. Dazu gehören unter anderem die Festigkeit, die Ebenheit und das Schwindverhalten des Estrichs.
Einfach gesagt, ist die Belegreife eines Untergrunds dann gegeben, wenn dieser für die schadensfreie und dauerhafte Aufnahme eines Bodenbelags geeignet ist. (Fußnote [1])
Belegreife bedeutet demnach nicht nur der Feuchtezustand, sondern erfordert eine Bewertung verschiedener Eigenschaften des Untergrunds, die spezifisch für den geplanten Bodenaufbau und die Nutzung sind. So hat eine Beschichtung im Industriebereich natürlich andere Anforderungen an die Festigkeit des Untergrundes als ein Textilbelag im Schlafzimmer. Die Belegreife, also der Zustand für die schadensfreie Aufnahme der Oberbeläge, kann demnach von Fall zu Fall variieren und muss individuell betrachtet werden.
Der Begriff „Reife“ kann in diesem Zusammenhang sowohl einen vollständig entwickelten Zustand als auch einen ausreichend vorbereiteten Zustand des Untergrunds bezeichnen. So ist ein Estrich, welcher seine Ausgleichsfeuchte von ca. 50 % r. LF. erreicht hat, hinsichtlich der Trockenheit als Belegreif zu bewerten (= vollständig entwickelter Zustand). Gleichzeitig ist ein unbeheizter Zementestrich mit einem Feuchtepotential von < 80 % r. LF., ermittelt mit der KRL-Messmethode, ebenfalls als belegreif zu bewerten, da bereits zu diesem Zeitpunkt eine schadensfreie Aufnahme des Belages möglich ist (= ausreichend vorbereiteter Zustand).
Zeitlich differenzierte Eigenschaften: Die große Unbekannte
Ein großer und wiederkehrender Fehler ist in der Baustellenpraxis die Annahme, dass die Eigenschaften eines Untergrunds statisch sind. Tatsächlich verändern sich diese jedoch im Laufe der Zeit. So nimmt die Festigkeit eines Zementestrichs in der Reifephase (die Zeitspanne nach dem Einbau bis zum Start der Untergrundvorbereitung) weiter zu und das Schwindverhalten nimmt zeitgleich ab, sprich diese beiden Faktoren ändern sich maßgeblich. Die Belegreife kann daher in zeitabhängige und zeitunabhängige Eigenschaften eingeteilt werden:
Aber Achtung: Ein Untergrund durchläuft von der Herstellung über die Nutzung bis hin zum Rückbau verschiedene Stadien. Durch Verschleiß und Belastungen während der Nutzungsphase können sich die Untergrundeigenschaften ändern. Insbesondere bei Nutzungsänderungen und Belagswechseln kann dies die Belegreife beeinflussen. Das heißt, nur weil ein Untergrund bisher nutzbar war, ist er im Zuge der Sanierung nicht zwangsläufig weiterhin belegreif und muss daher erneut bewertet werden. Und das gilt auch für die zeitunabhängigen, also vermeintlich statischen Eigenschaften.
Die Verantwortung liegt beim Auftraggeber – oder doch nicht?
Eine weitere Herausforderung in der Diskussion um die Belegreife ist die Frage nach der Verantwortung. Nach der VOB DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten hat der Auftraggeber einen belegreifen Untergrund zu übergeben. Die Prüfung der Belegreife obliegt dem Parkett- oder Bodenleger. Doch wer trägt die Verantwortung, wenn es zu Schäden kommt?
Ein Beispiel:
Im Zuge einer Umnutzung soll ein Ausstellungsbereich mit einem neuen Bodenbelag ausgestattet werden. Der Bauherr hat eine Verlegung von Bodenbelag auf einem bestehenden keramischen Fliesenuntergrund beauftragt. Die Vorgabe lautet grundreinigen, anschleifen und dann Haftbrücke aufbringen. Der Bodenleger kommt seiner Prüfpflicht nach und meldet Bedenken an, weil es sich um einen nicht normgerechten Untergrund handelt. Der Bauherr teilt ihm mit, dass der Untergrund einwandfrei ist, die Fliesen alle fest liegen und keine Probleme zu erwarten sind, immerhin liegt der Fliesenbelag ja schon einige Jahre einwandfrei. Die Arbeiten werden mit einer dispersionsbasierten Grundierung als Haftbrücke ausgeführt und der Bodenbelag wird nach vorheriger Spachtelung verlegt. Im Laufe der Nutzungsphase werden nun aber Ablösungen und Blasenbildungen beanstandet. Bei der Ermittlung zur Ursache stellt sich heraus, dass aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Untergrund vorliegt.
Zwar muss der Auftraggeber dem Bodenleger einen belegreifen Estrich zur Verfügung stellen, jedoch ist der Handwerker als Fachmann in der Hinweispflicht. Hier hätte, auch wenn es eine Sonderkonstruktion ist, der Altuntergrund intensiver überprüft werden müssen. Zwar lag der keramische Fliesenbelag über die Jahre hinweg einwandfrei, war aber für die Aufnahme eines Bodenbelages nicht belegreif.
Ein bestehender Altbelag kann neu belegt werden, aber nur nach vorheriger gründlicher Prüfung!
Ein weiteres Beispiel:
Der Bauherr lässt aus Zeitgründen einen beschleunigten Zementheizestrich einbauen. Der Bodenleger kommt vermeintlich seiner Prüfpflicht nach und ermittelt mit der CM-Methode indirekt den Feuchtegehalt. Dieser liegt bei 2,6 CM-%, also meldet er Bedenken an. Der Bauherr teilt ihm mit, dass aufgrund des Zusatzmittels im Estrich 1,0 CM-% bei der CM-Messung abgezogen werden können. Demnach wäre der Estrich mit 1,6 CM-% ja schon belegreif. Der Bodenleger verlegt und es kommt zum Feuchteschaden. Wie sich nachträglich herausstellt, war der Estrich tatsächlich noch zu feucht. Wer trägt nun die Verantwortung? Auch hier gilt, dass der Auftraggeber dem Bodenleger einen belegreifen Estrich zur Verfügung stellen muss, jedoch ist der Handwerker als Fachmann in der Hinweispflicht. Hinsichtlich der Feuchte ist für den Bodenleger nur der Gewerke-übliche Feuchtegrenzwert relevant – in allen anderen Fällen sind in jedem Fall Bedenken anzumelden, da der Auftragnehmer den Grenzwert nicht bestimmen kann. Sollte der Auftraggeber dennoch auf die Verlegung bestehen, muss die Freigabe zur Belegreife durch diesen zu erfolgen. Wichtig ist hierbei, dass der Bodenleger in der Regel kein Vertragsverhältnis mit dem Estrichleger oder dem Hersteller des Estrichbindemittels bzw. Zusatzmittels hat. Eine Anleitung zum Umgang mit beschleunigten Estrichen gibt unser AWT Praxistipp: AWT Praxistipp Belegreife Schnellestriche
Fazit: Obgleich die Verantwortung prinzipiell beim Auftraggeber liegt, kann der Bodenleger sich nicht freisprechen und blind auf die Aussagen des Auftraggebers verlassen, sondern hat seinen Prüfpflichten und Hinweisen nachzukommen, sollte er Zweifel an der Belegreife haben. Insbesondere bei Altuntergründen und Umnutzungen ist hier mit großer Sorgfalt vorzugehen.
Das Beispiel zeigt darüber hinaus noch, dass der Feuchtegehalt gar nicht so relevant zur Bestimmung der Belegreife ist. Wir erinnern uns: Belegreife bedeutet, dass eine schadensfreie Aufnahme der Bodenbeläge möglich ist. Anstatt also die Frage „Wieviel Feuchte ist noch drin?“, ist doch viel entscheidender die Frage „Wieviel Feuchte kommt noch raus?“ Von daher ist zur Bestimmung der Belegreife vor allem das Feuchtepotential anstelle des Feuchtegehaltes entscheidend. Dieses wird mit der KRL-Messmethode ermittelt. Die KRL-Messmethode misst universell für alle mineralischen Estriche und bietet dadurch eine sichere Bewertung des Feuchtezustands, sodass Feuchteschäden aufgrund sich ändernder Estrichzusammensetzungen und abweichender CM-Grenzwerte vermieden werden können. In dem Zusammenhang sei auch auf den Blog-Beitrag von Bernd Lesker zur KRL-Messmethode verwiesen: Die KRL-Methode: Sicher messen mit MAPEI
Fazit: Belegreife ist mehr aus nur der Feuchtegehalt
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Belegreife ein vielschichtiger und dynamischer Zustand ist, der weit über den Feuchtezustand – und vor allem den Feuchtegehalt – hinausgeht. Es reicht nicht aus, nur die Feuchtigkeit zu messen und dann davon auszugehen, dass der Estrich belegreif ist. Die Praxis zeigt immer wieder, dass auch andere Faktoren wie Festigkeit, Ebenheit, Schwindverhalten und Porosität, das Vorhandensein von Randdämmstreifen, etc. entscheidend sind. Diese Eigenschaften verändern sich teilweise im Laufe der Zeit durch die Nutzung und müssen daher beim Bodenbelagswechsel unter Umständen neu bewertet werden.
Gerade in Zeiten, in denen Renovierungen und Sanierungen zum Tagesgeschäft gehören, muss der Begriff Belegreife vollumfänglich betrachtet werden und kann nicht mehr nur isoliert auf die Feuchtigkeit reduziert werden. Ein Estrich, der vermeintlich trocken ist, kann dennoch große Probleme bereiten, wenn er in anderen Aspekten noch nicht „reif“ ist. Die Belegreife sollte daher als ein ganzheitliches Konstrukt verstanden werden, das mehrere Faktoren berücksichtigt. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Bodenbelag lange nutzbar und frei von Schäden bleibt.
Für Handwerker bedeutet dies, dass sie sich nicht nur auf traditionelle Methoden wie die CM-Messung verlassen sollten, sondern auch andere Prüfungen und Beobachtungen in ihre Bewertung einbeziehen müssen – beispielsweise die KRL-Messung. Außerdem sind die Prüfpflichten am Untergrund zu beachten und das sowohl im Neubau als auch in der Sanierung. Letztlich ist die Belegreife eine Frage des richtigen Zeitpunkts – und dieser ist erst dann erreicht, wenn alle relevanten Eigenschaften eine schadensfreie Belegung zulassen.
Tiefergehende Erläuterungen dazu finden sich im neuen TKB-Bericht 11 „Belegreife“ der der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe e. V. aus Juli 2024. Der Bericht befasst sich detailliert mit den Kriterien, die bestimmen, wann ein Untergrund als belegreif angesehen werden kann und wann er geeignet ist, um einen Bodenbelag oder Parkett aufzunehmen.
Der TKB-Bericht ist kostenlos erhältlich auf www.klebstoffe.com.
Fußnoten: